Der Launch von ChatGPT hat bei uns eingeschlagen wie eine Bombe. Auch in China ist ChatGPT ein brandheisses Thema. Aber, wie so oft in China, ist die Realität um einiges komplizierter. Denn, offiziell haben die Entwickler ChatGPT nicht im Reich der Mitte herausgebracht. Und offiziell hat die Regierung nach einer Weile den Laden dicht gemacht, was in China verfügbare ChatGPT Services anging.
In der Zwischenzeit haben sich zahllose chinesische Tech-Firmen auf den Hosenboden gesetzt, um schnell aufzuholen. Können sie das jedoch tatsächlich? So manche Medien zweifeln dies an. Es gibt viel zu erzählen zu ChatGPT und China. Mit dem heutigen Post hoffen wir, die brennendsten Fragen zu beantworten.
China im ChatGPT Fieber
Chinesische User können regulär nicht auf Chatgpt zugreifen. Personen innerhalb Chinas, die auf das Programm zugreifen wollen, finden jedoch ihre Wege meistens durch das Benutzen von VPNs.
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In den sozialen Medien hat ChatGPT kurz nach seinem offiziellen Launch das Land im Sturm erobert. Viele Technikexpertinnen und Unternehmen sind daran interessiert, auf der KI-Welle mitzureiten. Doch auch Normalbürger setzten sich mit Begeisterung mit dem Thema auseinander. Einem auf Google Trends basierenden Analysebericht zufolge sind die Suchanfragen nach dem Start am 23. Januar weltweit sprunghaft angestiegen, wobei die meisten aus China kamen.
Im Nu schossen auf WeChat ein Dutzend Konten aus dem Boden, die behaupteten, dass man über ihre Mini-Apps oder Websites ChatGPT Dienste nutzen könnte. Doch dafür wollten diese Konten natürlich ordentlich Geld. Einige Nachahmer verlangten eine Jahresgebühr von bis zu 999 Yuan (€135) für unbegrenzten Zugang.
Nicht besonders überraschend ist die Tatsache, dass Antworten der Nachahmer Chatbots nicht besonders gut sind. Auf die Frage “Wer ist dein Vater?” antwortete ein Chatbot: “Mein Vater ist John Smith”, eine Antwort, die sich deutlich von der von ChatGPT unterscheidet, welches erkannte, dass es sich um eine Fangfrage handelt.
Solche Produkte seien entweder Anwendungsprogrammierschnittstellen für GPT-3, den Vorgänger von ChatGPT, oder nicht verwandte Chatbots, die im Inland entwickelt wurden, bestätigte Chen Lijiulie, ein Tech-Influencer, der KI-Technologien beobachtet und eine chinesische ChatGPT-Community betreibt.
Chen hat den Anstieg des Interesses in seiner Community live mitverfolgen können. Seine Community wuchs in nur zwei Wochen von null auf 2.000 Mitglieder. Studenten nutzen den Service beispielsweise, um Bewerbungsunterlagen zu bearbeiten, während Angestellte sich Zusammenfassungen und Marketinginhalte liefern lassen.
Chu Jiang, ein leitender Anwalt einer Pekinger Anwaltskanzlei, erklärte gegenüber The Paper, dass die Nachahmung von ChatGPT mehrere Rechtsverstöße darstellen könnte, die von Marktbetrug bis hin zu unlauterem Wettbewerb reichen. “Der Betrieb solcher Programme kann zu strafrechtlichen Anklagen führen”, erklärte er.
Auch einige Händler auf eCommerce Plattform Taobao machten sich Anfangs den Launch zu nutzen. Sie nahmen Tausende von Yuan ein, indem sie Nutzern bei der Registrierung für ChatGPT-Dienste halfen. Taobao hat solche Anzeigen inzwischen entfernt.
Jedoch ist ChatGPTs Service auf Chinesisch nicht auf demselben Level, wie in Englisch. Das ist jedoch nicht sehr überraschend, da das Modell nicht auf Chinesisch trainiert wurde.
“Während man ChatGPT bitten kann, einen Artikel im Stil von Shakespeare zu schreiben, kann man ihn nicht bitten, einen im Stil von Lu Xun zu schreiben”, sagt Chen. “Aber bisher ist es leistungsfähig genug, um unser Leben grundlegend zu verändern, vor allem, um unsere Arbeitseffizienz zu steigern.”
ChatGPT legt Hangzhou lahm
Dass ChatGPT unter Umständen auch für viel Chaos sorgen kann, zeigte ein Fall in Hangzhou. Eine gefälschte Regierungsmitteilung über die Aufhebung von Verkehrsbeschränkungen, die mit ChatGPT erstellte, sorgte für Verwirrung und führte letztendlich sogar zu einer polizeilichen Untersuchung.
Die Mitteilung ließ verlauten, dass die Verkehrseinschränkungen, durch die an bestimmten Tagen nur Autos mit bestimmten Kennzeichen fahren durften, am 1.März beendet würden. Die „Bekanntmachung“ bot drei detaillierte Gründe für die angebliche Entscheidung und enthielt zudem die folgende Aussage: “Obwohl eine solche Politik nach jahrelanger Umsetzung seit 2006 die Verkehrsüberlastung bis zu einem gewissen Grad reduziert hat, hat sie auch zu Unannehmlichkeiten für die Öffentlichkeit geführt.”
Es stellte sich heraus, dass ein Anwohner ChatGPT bat, einen “Nachrichtenbericht” über die Aufhebung der Straßenverkehrsbeschränkungen zu verfassen. Er dokumentierte den gesamten Prozess und teilte Screenshots der Antworten des KI-Chatbots mit einer Gruppe auf WeChat.
Trotz der eingeschränkten Möglichkeiten im literarischen Bereich, ist ChatGPT offensichtlich absolut in der Lage die Sprache der chinesischen Regierungsbehörden perfekt nachzuahmen.
Es ist wenig überraschend, dass der Vorfall Bedenken hinsichtlich der Fähigkeiten der Technologie und ihres Potenzials zur Verbreitung von Gerüchten und Fehlinformationen schürte.
Dass sowohl die Regierung als auch unterschiedliche Einrichtungen ChatGPT tatsächlich verboten war im Angesicht solcher Fälle mehr als zu erwarten. Im Februar kam die chinesische Regierung dann mit einem ausdrücklichen Verbot von WeChat-Hosting-Proxy-Diensten, die Zugriff auf ChatGPT ermöglichen.
Auch die Universität von Hong Kong erlies im Februar ein vorübergehendes Verbot der Nutzung von ChatGPT für akademische Arbeiten; solange bis eine campusweite Konsultation über KI-Tools stattgefunden hat. Offiziell, ist ChatGPT auch in Hongkong nicht verfügbar. Es war die Entscheidung des Mutterunternehmens von ChatGPT, OpenAI, in China und seinen Regionen nicht aktiv zu sein. Weder chinesische noch Hongkonger Telefonnummern dürfen sich registrieren. Das hat jedoch auch die Studenten in Hongkong offensichtlich nicht davon abgehalten, Wege zu finden, um den Bot zu nutzen.
Chinas ChatGPT – Unvermeidbar oder unmöglich?
Lange Zeit sah es aus, als ob es bloß eine Frage der Zeit wäre, bis China den KI-Wettlauf eindeutig für sich entschied.
Chinas Investitionen in künstliche Intelligenz werden bis 2026 voraussichtlich über 26 Milliarden US-Dollar betragen, was der zweithöchste Betrag weltweit wäre und fast 9% der globalen Investitionen ausmachen würde.
Doch die Situation der großen Tech-Unternehmen hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Und obwohl dutzende chinesische Unternehmen bereits mit Eile und Leidenschaft an ihren eigenen ChatGPT Programmen arbeiten, gibt es Stimmen, die daran zweifeln, dass ein chinesisches ChatGPT wirklich möglich ist. Mehr dazu weiter unten.
Zuerst sollten wir einmal wissen, wer denn die wichtigsten Player im Wettkampf um Chinas ChatGPT sind.
ChatGPTs Chinesische Konkurrenz
Es kann keine große Überraschung sein, dass Chinas Weltklasse AI-Firmen den Amerikanern bereits auf den Fersen sind.
Tech in Asia listet eine ganze Reihe an Konkurrenten, worunter die BAT-Techgiganten (Baidu, Alibaba, Tencent) natürlich an vorderster Front sind.
Baidu
Bereits im Jahr 2019 hat eine Gruppe von Forschern der Tsinghua-Universität ERNIE Bot entwickelt, eine Abkürzung für Enhanced Representation through Knowledge Integration. ERNIE Bot hatte seine Premiere letzte Woche, am Freitag, dem 17. März 2023 und wurde somit zur ersten chinesischen Tech-Firma, die einen Rivalen zu ChatGPT auf den Markt gebracht hat.
Laut Wall Street Journal kämpfte Baidu zuvor mit dem Problem, dass Ernie aufgrund mangelnder Halbleiter wegen US-Sanktionen grundlegende Funktionen nicht ausführen kann.
Wie ist der Launch gelaufen?
30.000 Unternehmen meldeten sich innerhalb einer Stunde nach dem Start für den Test der ERNIE Bot Enterprise Edition API an. Die Anleger zeigten sich jedoch enttäuscht über das Fehlen einer Live-Demonstration, so dass der Aktienkurs von Baidu vor dem Ende des Donnerstagshandels leicht nachgab.
Derzeit ist unklar, wann Ernie Bot der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Alibaba
Alibaba gab bekannt, dass es einen ChatGPT-ähnlichen Service testet, der von seinen langjährigen Forschungen in großen Sprachmodellen profitiert. Jedoch gibt es derzeit noch keinen Zeitplan für die Einführung des Services.
Tencent
Tencent’s HunyuanAide Chatbot hat eine spezielle Task Force von Führungskräften zur Verfügung gestellt bekommen, damit sie wohl sobald wie möglich etwas Greifbares liefern können.
Es gibt noch so einige weitere Anwärter auf den chinesischen ChatGPT Thron, darunter Video- und Livestreaming-Plattformen ByteDance (Douyin und TikTok) und Kuaishou, Gaming Gigant NetEase und sogar Schopping- und Liefer-Plattform Meituan. Dessen Co-Founder hatte in 2020 eigentlich seine Pension angekündigt und hat diese nun kurzerhand beendet hat, um ebenfalls ein chinesisches OpenAI zu gründen.
Dann ist da noch MOSS, die Chatbot-Plattform, die vom Natural Language Processing Lab der Fudan-Universität in Shanghai entwickelt wurde. Sie stürzte einen Tag nach dem Start am Montag, den 20. Februar 2023 aufgrund der hohen Nachfrage ab und zwang das Labor, eine Warteliste für die Nutzung des KI-Tools einzurichten.
Das Team der Fudan-Universität entschuldigte sich für die Enttäuschung der Nutzer der experimentellen Software und gab eine Erklärung ab, in der es hieß: “MOSS ist noch ein sehr unausgereiftes Modell und hat noch einen langen Weg vor sich. Unser akademisches Forschungslabor ist nicht in der Lage, ein Modell mit ähnlichen Fähigkeiten wie ChatGPT zu entwickeln.”
Interessanterweise ist die derzeitige Leistung von MOSS im Englischen ebenfalls besser als im Chinesischen, da seine Modellbasis über 300 Milliarden englische Wörter gelernt hat, aber nur etwa 30 Milliarden chinesische Wörter. Das Fudan-Team will den Code und die Modellparameter von MOSS in naher Zukunft als Open Source zur Verfügung stellen.
Warum kam Chatgpt nicht aus China?
Im Angesicht der wahnsinnigen Geschwindigkeit mit der sich chinesische KI noch vor ein paar Jahren entwickelte, gepaart mit großzügiger Unterstützung der Regierung, kam nach der Veröffentlichung von ChatGPT sehr schnell die Frage auf: Warum kam diese KI nicht aus China?
Einige Stimmen zweifeln stark an, dass selbst wenn die chinesischen KI-Firmen die technischen Möglichkeiten haben, um aufzuholen, eine ebenso erfolgreiche Plattform entwickeln werden könnte.
“War China vor einem Jahrzehnt noch der wilde, wilde Osten für technisches Unternehmertum und Innovation, so ist es heute ein ganz anderes Land,“ sagt die New York Times zu dem Thema.
Noch vor wenigen Jahren sei China auf dem besten Weg gewesen, die Vorherrschaft der USA im Bereich der künstlichen Intelligenz herauszufordern. Das Kräfteverhältnis kippte in Chinas Richtung, weil das Land über reichlich Daten, hungrige Unternehmer, qualifizierte Wissenschaftler und eine unterstützende Politik verfügte. Mitte der 2010er Jahre war China Nummer 1 bei den Patentanmeldungen im Bereich der künstlichen Intelligenz.
Der NYT Artikel sagt, chinesische Tech-Unternehmer seien schockiert und demoralisiert. Sie würden sogar monieren, ein chinesisches ChatGPT könne man nicht ernst nehmen.
„Haben Zensur, geopolitische Spannungen und die wachsende Kontrolle der Regierung über den privaten Sektor China weniger innovationsfreundlich gemacht?“, fragt Kolumnist Li Yuan.
“Die Entwicklung jedes bedeutenden technologischen Produkts ist untrennbar mit dem System und dem Umfeld verbunden, in dem es funktioniert”, zitiert Li Xu Chenggang, einen leitenden Wissenschaftler am Stanford Centre on China’s Economy and Institutions.
So eine Innovation wie DouYin, das chinesische TikTok, wäre in Zukunft aufgrund der staatlichen Beschränkungen für die Branche in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr möglich.
Mitte der 2010er Jahre war China zu einer Tech-Macht geworden, die es mit den USA aufnehmen konnte. Messaging-App WeChat und der Zahlungsdienst Alipay funktionierten besser als ähnliche amerikanische mobile Internetprodukte. Eine Zeit lang brachte das Land so viele Einhörner hervor wie Silicon Valley.
In den letzten Jahren wurden den größten Tech-Unternehmen jedoch die Flügel gestutzt. Die Regierung übernahm Minderheitsbeteiligungen und Sitze in den Aufsichtsräten einiger dieser Unternehmen, was ihr eine effektive Kontrolle verschaffte. Das, so argumentiert die NYT, kam auf Kosten des Innovationsvorsprungs der chinesischen Tech-Giganten.
Doch auch die Tech-Unternehmen und Investoren tragen einen Teil der Verantwortung. Schon bevor die Regierung anfing, stärker auf sie einzuwirken, waren chinesische Tech-Führungskräfte darauf fokussiert, Geld zu verdienen. Sie zögerten, in Forschungsprojekte zu investieren, die auf kurze Sicht keinen Gewinn versprachen. Durch die derzeitige Lage sind diese Führungskräfte noch weniger geneigt, in langfristige Projekte zu investieren.
Auch die Zensur ist ein großes Thema. Die Frage lautet: wie kann man an die nötige Massen an Daten herankommen, die nötig ist, um solche Technologie zu entwickeln, wenn die Zensur es einem schwer oder sogar unmöglich macht?
Zu guter Letzt bereitet der Tech-Krieg zwischen China und den USA Expertinnen im chinesischen KI-Feld Kopfzerbrechen. Die US-Regierung könnte Exportverbote für wichtige Chips verhängen, um Chinas Entwicklung von KI-Tools wie ChatGPT zu bremsen. Eine große Überraschung wäre dies sicher nicht.
Es scheint also noch ein langer, steiniger Weg vor Chinas Tech-Firmen zu liegen. Werden sie die Hürden überwinden und der Welt Artikel im Stil von Lu Xun ermöglichen? Das müssen wir mit Geduld abwarten.
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